Emanzipation und Hochzeit - wie passt das zusammen?

KULTURELLES

Hochzeit im Dezember, schön mit allem drum und dran in den Bergen. Das obligatorische weiße Kleid und trotzdem bezeichne ich mich selbst als emanzipierte Frau. Weil das Thema aber in den Vorlesungen und in meinem Freundes- und Bekanntenkreis stark diskutiert wird und mir selbst auch keine Ruhe gelassen hat, bin ich dem Ganzen  im Rahmen eines Uni-Essays nochmal nachgegangen:

In ihrem Aufsatz zum Thema ‚Hochzeiten und Heiraten als rite de confirmation‘ stellen die beiden Wissenschaftlerinnen Andrea Bührmann und Ulrike Thiele-Manjali die These auf, dass Paare durch bestimmte Praktiken und Rituale während der Hochzeit in ein hierarchisches und traditionelles Rollenverständnis zurückfallen.

Demnach nimmt der Mann schon während der Planung und vor allem während des Festes den rationalen und durchsetzungsfähigen Part ein, während die Frau emotionalisiert und vom Mann passiv begehrt wird. Nach einem Rundblick in meinem persönlichen Freundes- und Bekanntenkreis lassen sich dafür einige Beispiele finden.

 

"Hierarchisches und traditionelles Rollenverständnis mit rational-

           männlichem und emotional weiblichem Part?"

 

Die Planung und Organisation der Feier wird in fast allen Fällen von der Braut mit Hilfe des weiblichen Teils der Familie übernommen. Ritualisierte Abläufe, wie die Brautübergabe durch den Vater an den zukünftigen Ehemann, werden oft ebenso wenig hinterfragt, wie die Wahl des Familiennamens. Aktuellen statistischen Zahlen nach werden mehr als ein Drittel der deutschen Ehen wieder geschieden werden (Stand 2018). Man könnte sich also fragen, warum dennoch so viele Menschen entschließen, den Bund der Ehe einzugehen. Und diese Frage dahingehend erweitern, wie ein solch ritualisierter Vorgang, wie eine Hochzeit mit dem Selbstverständnis einer emanzipierten Frau zusammenpasst?

 

"Hochzeit und Emanzipation - schließt sich das nicht gegenseitig aus?"

 

Fragt man die englische Autorin Julie Bindel ist die Antwort klar: „Die Ehe kann niemals ein feministischer Akt sein“. Eine Aussage, der ich nicht unbedingt zustimmen kann. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass ich in nicht einmal vier Monaten selbst heiraten werde und das mein Selbstbild gehörig durcheinander werfen würde. Es ist auch mir klar, dass wir in Deutschland in Sachen Gleichberechtigung trotz Frauenquote, der Gleichstellungskommission und dem vermeintlich hohen Anteil erwerbstätiger Frauen von einer wirklichen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau noch ziemlich weit entfernt sind. Ein Beispiel dafür ist die Gender-Pay-Gap, die zeigt, dass Frauen für denselben Job immer noch je nach Branche und Region sechs bis einundzwanzig Prozent schlechter bezahlt werden als Männer. Oder dass der Großteil der arbeitenden Frauen auf 450 Euro-Basis bzw. in einem Verhältnis geringer Erwerbstätigkeit arbeitet. Als Hauptverdiener fungiert weiterhin der Mann. Ebenfalls ist die Sache mit der 50/50-Verteilung der Arbeiten im Haushalt meist reine Utopie. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Einforderung dieser 50% beim Partner in bestimmten Fällen möglich ist, allerdings oft auch auf Unverständnis stößt. Denn die Vorstellungen bezüglich der Arbeitsverteilung innerhalb der Partnerschaft, der Hochzeit im Allgemeinen oder zu Ehe und Familie sind nach wie vor sehr stark gesellschaftlich reglementiert.

 

"Arbeitsteilung innerhalb der Partnerschaft, Hochzeit oder Ehe und Familie sind Themen, die nach wie vor von der Gesellschaft vorgegeben und geprägt sind. Andere Lebensentwürfe, die nicht in dieses Bild passen werden oftmals kritisch beäugt."

 

Fakt ist, dass auch in unserer individuell geprägten und aufgeklärten Gesellschaft die Ehe nach wie vor als Idealvorstellung einer Partnerschaft gilt. Wie sonst sind die schon vorprogrammierten Fragen zu erklären, denen man als Paar nach einer bestimmten Beziehungsdauer ausgesetzt ist? „Wann ist es denn bei euch soweit?“ „Jetzt wäre es doch Zeit für eine Hochzeit bei euch!“ Sätze, die jedes Paar jenseits der dreißig oder in einer längeren Beziehung schon einmal gehört haben dürfte. Aber nicht nur das private Umfeld, auch der Staat fördert die Institution Ehe. Mit Hilfe von Subventionierungen und finanziellen Vorteilen wird versucht, das Konzept attraktiver zu machen. Dadurch mag durchaus die oder der eine oder andere ihre bzw. seine Abneigung gegenüber der Ehe über Bord geworfen haben.

 

"Ehe nach wie vor Idealvorstellung einer Partnerschaft - Gott bewahre uns vor in wilder Ehe lebenden Paaren ;-)"

 

Wenn aber die Frage diskutiert wird, inwiefern Emanzipation und Hochzeit zusammenpassen, darf der Aspekt der Hochzeit als ritualisiertes Fest natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Wer sich einmal näher mit der Thematik beschäftigt und in einschlägigen Portalen, auf Blogs oder Pinterest zum Thema Hochzeit forscht, wird sich vor lauter Vorschlägen und Auswahlmöglichkeiten gar nicht retten können. Worte, die in Bezug auf Hochzeiten immer fallen, sind: märchenhaft, verzaubert, wunderbar, etc. Was aber fast alle gemeinsam haben: sie sprechen nur die Braut an. Selten begegnet man einem Hochzeitsjournal, das auf den Bräutigam zugeschnitten ist. Auch in der medialen Repräsentation der Hochzeit spielen Männer sowohl beim Kauf des Kleides bzw. Anzugs, wie auch bei der Planung höchstens als Randerscheinung eine Rolle. Der Fokus liegt, wie schon ein Blick in den historische Kontext zeigt, ganz klar auf der Braut.

 

Die Vorwürfe bezüglich der Hochzeit, die auch Bührmann und Thiele-Manjali mit ihrer These aufzeigen, richten sich vor allem auf die symbolischen und performativen Handlungen rund um den Festtag. Beispiele werden vielfältig aufgeführt. Begonnen wird direkt mit dem Antrag, bei dem der Mann die Frau mit seinem Ring zu seinem zukünftigen Eigentum erklärt. Auch die scheinbar konstitutive Frage des weißen Kleides als Ausdruck der Unschuld und Jungfräulichkeit der Frau, wirft Fragen auf. Zum einen reicht die Tradition des weißen Brautkleides nur etwa zwei Generationen zurück und zum anderen klafft zwischen der symbolischen Bedeutung und der Realität hier meist eine eklatante Lücke. Ganz zu schweigen davon, warum die Frage der weiblichen Jungfräulichkeit überhaupt etwas beim Thema Hochzeit verloren hat. Handelt es sich dabei inzwischen nicht nur noch um einen historischer Anachronismus? Eine tragende Rolle spielt sie in der Realität unserer westlichen Gesellschaft jedenfalls nicht mehr. Auch der Einzug der Braut zusammen mit ihrem Vater und die darauf folgende Übergabe an den Mann, sozusagen in dessen Obhut, wird oftmals kritisiert. Die Braut würde hier als Gabe stilisiert, dabei sind die Zeiten von hohen Mitgiften und Brautgeschenken doch längst vorbei. Die Lage scheint klar zu sein. Hochzeit und Emanzipation - das geht nicht zusammen.

 

"Beispiele für den anti-emanzipatorischen Charakter der Hochzeit werden einige aufgeführt: die vom Mann initiierte Verlobung inklusive Ring als Markierung der Ansprüche, die Brautübergabe vom Vater, etc."

 

Aber ein paar Gründe muss es doch geben, dass aktuell die Zahlen der Hochzeiten wieder auf dem aufsteigenden Ast sind. „Die Welt“ betitelt einen ihrer Artikel im Jahr 2016 mit „Ja, ich will es anders“. Darin werden die verschiedenen Arten aufgezeigt, auf die althergebrachte Traditionen und Bräuche rund um das Thema Hochzeit modernisiert werden. Einen Trend bildet dabei die feministische Hochzeit, in der alle Rituale hinterfragt und für sich selbst bewusst, neu oder anders interpretiert werden. Diesen Ansatz finde ich insofern interessant, da er sich ziemlich gut mit meiner persönlichen Meinung zur Frage von Emanzipation und Hochzeit deckt. Meines Erachtens stellt sich die Frage der Emanzipation schon weit vor der Hochzeit im Gefüge der persönlichen Paarbeziehung. Das Ereignis der Hochzeit selbst definiert nicht, ob und inwieweit eine Frau emanzipiert ist, noch ändert sich dieser Status durch das Ereignis. Dieser Vorgang der Emanzipation findet, wie schon erwähnt, in anderen Bereichen des Lebens statt, beispielsweise bei der Aufteilung der Heim- und Sorgearbeit der beiden Partner. Auch gleiche Bezahlung bei der Ausübung eines Jobs ist meiner Meinung nach essenziell. Beide Beispiele stehen so gesehen in keinem Zusammenhang mit dem Event Hochzeit.

 

"Frage der Emanzipation stellt sich meines Erachtens nicht erst bei der Hochzeit, sondern hängt mit einigen Faktoren zusammen und betrifft die eigene Stellung in der Paarbeziehung"

 

Eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und sich ihrem Partner gleichberechtigt fühlt, wird das auch während und nach ihrer Hochzeit tun. Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass jede Frau Gleichheit und Emanzipation auf andere Weise definiert. Kann nicht eine Märchenhochzeit mit sämtlichem Pomp auch ein feministischer Akt sein, wenn dabei bewusst mit dem weiblichen Selbstbild als emanzipierte Frau gespielt und das Rollenbild quasi ad absurdum geführt wird? Der hierarchische und traditionelle Charakter einer solchen Hochzeit kann hier sozusagen als kurzfristige Rolle zu betrachten, die den eigenen Standpunkt  in Abgrenzung zu den historischen Strukturen nur stärkt. Wer nicht vergisst, zu Beginn der Ehe auch den finanziellen Aspekt beispielsweise in Form eines Ehevertrages im Blick zu halten und sich als finanziell unabhängige Frau bewusst für eine Hochzeit entscheidet, wird dies auch während und nach der Hochzeit beibehalten.

Egal, ob man sich dafür entscheidet, bewusst sämtliche Traditionen zu hinterfragen oder das volle Torten-Programm fährt, Emanzipation und Hochzeit schließen sich keinesfalls aus, solange die Braut eine selbstbestimmte Entscheidung trifft. Denn wie gleichberechtigt man als Frau in einer Paarbeziehung ist, wird meiner Meinung nach nicht durch eine Hochzeit definiert oder verändert.

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